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Eine Reise zu sich selbst – Psychologische Erkenntnisse aus Nepal und Indien

Autorenbild: MagdalenaMagdalena

Es gibt Zeiten, in denen wir uns selbst im Weg stehen. Momente, in denen wir nicht wissen, wer wir wirklich sind oder was wir wollen. Gerade dann wird deutlich, dass wir uns mit Fragen auseinandersetzen müssen, die tief in uns selbst verwurzelt sind. In der Psychologie spricht man in solchen Phasen oft von Identitätskrisen oder Übergangsmomenten – Zeiten des Umbruchs, in denen wir gezwungen sind, uns neu zu definieren. 


Reisen kann dabei ein mächtiges Mittel zur Selbstreflexion sein. Die Konfrontation mit dem Unbekannten zwingt uns, vertraute Muster zu hinterfragen, und eröffnet neue Perspektiven auf uns selbst. Eine meiner eindrücklichsten Reisen führte mich durch Nepal und Indien – eine Rundreise von Kathmandu nach Lhasa und weiter nach Delhi. Jeder Ort hatte seine eigene Geschichte, seine eigene Energie – und jeder spiegelte einen Aspekt der menschlichen Psyche wider. 


Jede innere Reise beginnt mit einer bewussten Entscheidung. Kathmandu, die lebendige Hauptstadt Nepals, war der Ausgangspunkt meiner Reise – ein Symbol für Aufbruch und Neugier. Hier vermischen sich Tradition und Moderne, Spiritualität und das alltägliche Chaos des Lebens. Ähnlich ist es in unserem Inneren: Veränderung beginnt oft inmitten von Widersprüchen, in einem Zustand, der sich unruhig und unvollkommen anfühlt. 


Von Kathmandu führte der Weg nach Lhasa, der „Stadt der Sonne“, die in einem Hochgebirgstal liegt. Sie wurde um einen Tempel herum gegründet und strahlt bis heute eine tiefe Spiritualität aus. Hier dominiert die Stille – eine Stille, die nicht nur im Außen, sondern auch im Inneren spürbar wird. 


In der Psychologie wissen wir, dass Rückzug und Stille essenziell für Selbstreflexion sind. Unser Gehirn verarbeitet Erlebnisse anders, wenn wir uns von äußeren Reizen zurückziehen. Das zeigt sich besonders in meditativen Praktiken oder Phasen bewusster Selbstbeobachtung. Lhasa war für mich ein Ort der inneren Einkehr – ein Raum, in dem Gedanken klarer wurden und Unwichtiges in den Hintergrund trat. Nach der Ruhe in Lhasa führte die Reise weiter nach Delhi, einer Stadt, die seit über 3.000 Jahren ein Zentrum der Geschichte und Kultur ist. Erste Erwähnungen einer Siedlung am Yamuna-Fluss stammen aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, archäologische Funde reichen sogar bis ins Jahr 1.000 vor Christus zurück. 


Delhi ist das völlige Gegenteil von Lhasa: laut, dynamisch, überfordernd. In der Jama Masjid, Indiens größter Moschee, erlebte ich, wie Menschen inmitten des Trubels einen Moment der Ruhe und Verbindung finden. Psychologisch betrachtet erinnert mich das an unser Leben: Wir können Stille nicht immer erzwingen, aber wir können inmitten des Chaos Inseln der Ruhe schaffen. 


Genau das zeigt sich in unserem Umgang mit Herausforderungen: Die Konfrontation mit dem Unerwarteten – sei es eine neue Stadt oder eine persönliche Krise – fordert uns heraus, mit Unsicherheit umzugehen. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind Fähigkeiten, die nicht nur für Reisen, sondern auch für unser psychisches Wohlbefinden essenziell sind. 


Diese Reise war nicht nur eine geografische Bewegung, sondern auch eine psychologische. Sie hat mich gelehrt, dass innere Prozesse Zeit und Raum brauchen – dass wir manchmal den Rückzug suchen müssen, um Klarheit zu gewinnen, und manchmal mitten ins Leben eintauchen müssen, um zu wachsen. 





In der psychologischen Praxis begegnen mir oft Menschen, die an einem Punkt stehen, an dem sie spüren, dass sie sich verändern müssen, aber nicht wissen, wie. Vielleicht ist die Antwort nicht immer eine physische Reise, aber eine innere – eine bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst, den eigenen Ängsten und Möglichkeiten. Denn am Ende ist jede Reise eine Reise zu uns selbst.

 
 
 

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